Vehicle Interaction Lab

Mensch-Fahrzeug-Interaktion erforschen und optimieren

Das Auto der Zukunft verspricht neben einem privaten Raum für Mobilität auch eine effiziente und erholsame Zeitnutzung während der zunehmend automatisierten Fahrt. Im Vehicle Interaction Lab erforschen wir sowohl die Interaktion zwischen fahrender Person oder Passagierinnen und Passagieren mit dem Fahrzeug, als auch zwischen menschlichen und automatisierten Verkehrsteilnehmenden.

Die Automatisierung der Fahrfunktionen und die Integration zunehmend intelligenter und adaptiver Interaktionssysteme haben sich als Forschung- und Entwicklungsschwerpunkt etabliert. Wir setzen bei der Gestaltung der Fahraufgabe auf adaptive Mensch-Maschine-Schnittstellen und die Messung von Zuständen der Nutzenden, wie Ablenkung und Intention. Zur Beurteilung von Usability und Driver-Experience verwenden wir bewährte sowie eigens am IAO entwickelte Evaluationswerkzeuge. Unsere Methoden setzen wir auch zur Weiterentwicklung von Zustandsmodellen und in Studien zur Untersuchung von KI-basierten Assistenzsystemen im Fahrzeug ein. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt sind neue Innenraumkonzepte für das automatisierte Fahren und die damit verbundenen Möglichkeiten der Nutzung, z.B. zum Mobiles Arbeiten, Relaxen oder Power-Nappen während der Fahrt. 

Simulationen für das Fahrzeug der Zukunft

Wir setzen je nach Projektanforderung und Forschungsfrage verschiedene Formen der Fahrsimulation sowie reale Fahrzeuge ein, um virtuelle Prototypen und HMI-Konzepte in allen Entwicklungsphasen erlebbar zu machen. Die frühe Konfrontation mit real wirkenden und funktionalen Prototypen hilft die richtigen Entscheidungen in einem menschzentrierten Entwicklungsprozess zu treffen und frühzeitig die beste Gestaltungsvariante zu erkennen. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung im Bereich Vehicle Interaction bietet das Fraunhofer IAO in Stuttgart:

  • Datenerhebung und -analyse für die Entwicklung von KI-basierten, kontextsensitiven Assistenzsystemen.
  • Erhebung des Nutzendenverhaltens und des Nutzendenzustandes (z.B. kognitive Ablenkung, Aufmerksamkeit, emotionaler Zustand) während verschiedener Automatisierungsstufen und fahrfremder Tätigkeiten.
  • Evaluation und Weiterentwicklung von intelligenten und adaptiven Interaktionsprototypen.
  • Erstellung und Integration von (virtuellen) Prototypen für grafische, akustische und haptische Bedienkonzepte im Fahrzeug.
  • Unabhängige Evaluation von Prototypen und funktionalen Systemen mit Usability- und User Experience-Expertinnen und -Experten und Nutzenden im Fahrsimulator und auf der Straße.

Ausstattung

Das Vehicle Interaction Lab umfasst das Fahrsimulationslabor, welches mit einem Eye-Tracking-System, Multikamerabeobachtung und verschiedenen Wearables zur Messung physiologischer Daten ausgestattet ist. Auch gehört ein Wizard-of-Oz-Fahrzeug, welches die Datenerhebung sowie die Simulation verschiedener Automatisierungsstufen während Realfahrten erlaubt, zur Ausstattung des Labs.


Fahrsimulationslabor

Im unserem Fahrsimulator sitzt der Fahrer oder die Fahrerin in einem realen Fahrzeug. Der Fahrsimulator verfügt über eine 360-Grad Projektion mit 6 Tageslichtprojektoren. Die Aufprojektionen simulieren eine vollständige Rundumsicht um das Fahrzeug, sodass auch im Innen- und Außenrückspiegel die aktuelle Fahrsituation realitätsgetreu abgebildet wird. Aus Perspektive der fahrenden Person ergibt sich so ein immersives Fahrerlebnis in verschiedensten Verkehrssituationen und Umgebungen. Um den Realitätsgrad weiter zu erhöhen, werden alle akustischen Signale des Fahrzeuges und der Umgebung räumlich durch ein 5:1 Soundsystem wiedergegeben. Der Simulator verfügt zudem über ein Bewegungssystem, das Sitz- und Chassisvibrationen erzeugt sowie Bremsrucke simuliert.

Die Nutzung der Fahrsimulation ist mit unterschiedlichen Fahrzeugen und physischen Mock-Ups möglich, die in der Mitte der 360-Grad Projektion platziert werden können. Eine einfache Austauschbarkeit der Mock-Ups wird durch eine Schwenktür und eine Plug-and-Play Lösung der notwendigen Schnittstellen ermöglicht. Für die Untersuchungen an der Mensch-Maschine-Schnittstelle ist der Simulator mit einem modular erweiterbaren Dashboard und einem multitouchfähigen Monitor in der Mittelkonsole ausgestattet.

Zur Durchführung von Simulationsfahrten ist softwareseitig das Programm SILAB im Einsatz. Darüber können Fahrzeugdaten ausgelesen werden, die in Hinblick auf Reaktionen und Verhalten der fahrenden Person untersucht werden. Zur Beobachtung der Teilnehmenden bei Experimenten stehen mehrere Kameras und ein Eye-Tracking-System zur Verfügung. Zusätzlich werden Wearables zur Erhebung physiologischer Daten eingesetzt, wie z.B. EDA, EKG und Pulsrate. Geschulte Versuchsleiterinnen und Versuchsleiter erheben qualitative Daten mit Fragebögen und Interview-Verfahren.

 

Wizard-of-Oz Versuchsfahrzeug

Im Wizard-of-Oz-Fahrzeug findet ein in der Mensch-Computer-Interaktion häufig verwendeter Ansatz Anwendung, indem ein menschlicher „Wizard“ die intelligenten Funktionen des Systems simuliert und dadurch bei den Nutzenden der Eindruck entsteht, mit einem autonomen System zu interagieren.

Das Wizard-of-Oz-Fahrzeug ist mit einem Eye-Tracking-System und Innenraumkameras ausgestattet und kann je nach experimentellem Setup mit physiologischen Messverfahren (EKG, EDA, EEG) erweitert werden. Dies erlaubt eine kontinuierliche Datenerhebung zur Zustandserkennung der fahrenden Person unter realen Bedingungen während der Fahrt auf der Straße. Eine weitere Besonderheit stellt die Ausstattung mit drei Lenkrädern dar, welche eine Fahrzeugführung von vorne rechts (Sicherheitsfahrer/Sicherheitsfahrerin), vorne links (Nutzer/Nutzerin) oder hinten (Wizard) ermöglicht. Der Sicherheitsfahrer oder die Sicherheitsfahrerin dient hierbei als „Backup“ und muss bei Bedarf eingreifen und die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen, während die reine Fahraufgabe entweder beim Nutzer bzw. bei der Nutzerin oder dem Wizard liegen kann. Des Weiteren erlaubt dieser Aufbau eine flexible Übergabe der Fahrzeugkontrolle vom Nutzer bzw. der Nutzerin an den Wizard (oder umgekehrt) und ermöglicht somit die Simulation verschiedener Automatisierungsstufen und Übernahmeszenarien während des autonomen Fahrens.