Forschungsprojekt RELAI: Erwartungskonformes Verhalten und Interaktion mit Fußgängern im Fokus

Riskante Situationen besonders im innerstädtischen Verkehr, das Verhalten von Fußgängern je nach Kontext und die nonverbale Kommunikation zwischen Verkehrsteilnehmern: Diese bislang mit Blick auf autonome Fahrzeuge kaum beachteten Themen stehen im Mittelpunkt des neuen Verbundforschungsprojekts RELAI – Risk Estimation with a Learning AI (Risikoabschät-zung durch eine lernende KI - Künstliche Intelligenz). Im Rahmen von RELAI wird das Konsorti-um zum einen ein KI-basiertes System zur Generierung und Bereitstellung von synthetischen und variantenreichen Prüfszenarien entwickeln. Zum anderen entsteht eine durchgängige vir-tuelle Entwicklungsumgebung, bei der unter anderem ein Virtual-Reality (VR)-Fußgängersimulator entwickelt und mit einem Fahrsimulator gekoppelt wird. Das laufende Projekt RELAI wird im Rahmen der Förderrichtlinie Modernitätsfonds (mFUND) mit insgesamt rund 1,2 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert.

Wer werktags bei Schulschluss mit dem Auto an einer Grundschule vorbeikommt, fährt in der Regel langsamer, als wenn er dieselbe Stelle sonntagmorgens um 5 Uhr passiert. Das Fahrverhalten in dieser Weise an den Kontext und erwartbare Risiken anzupassen, ist für erfahrene menschliche Autofahrer selbstverständlich - für künftige autonome Fahrzeuge jedoch eine bislang ungelöste Herausforderung. "Dabei ist gerade für künftige gemischte Verkehre, in denen ein Teil der Autos von Menschen, ein anderer Teil von Computern gesteuert wird, ein erwartungskonformes Verhalten der automatisierten Fahrzeuge wichtig", erklärt Dr.-Ing. Michael Voit vom Fraunhofer IOSB. "Würden autonome Autos sich nämlich nach menschlichem Empfinden unangepasst verhalten, könnte dies zu Unfällen führen und zudem das Vertrauen in die Technologie untergraben." Dr.-Ing. Thomas Freudenmann, Mitgründer und Geschäftsführer der EDI GmbH, fügt hinzu: “Diese komplexen Verkehrssituationen sind mit dem heut-zutage üblichen Manöver-basierten Testen nicht abdeckbar; sondern es bedarf variantenreicher syn-thetischer Szenarien, um neue autonome Fahrsituationen entwickeln, trainieren und absichern zu können.“ Zur Evaluierung und Generierung solcher Szenarien kommt im Rahmen von RELAI eine leis-tungsfähige Plattform mit modernsten KI-Algorithmen zum Einsatz, die in diesem Fall auf dem EDI hive Framework basiert. Ebenfalls unterstützt die IPG Automotive GmbH mit deren offener Integrations- und Testplattform CarMaker diesen Ansatz optimal, wodurch neben den synthetischen Szenarien eine durchgängige virtuelle Entwicklungsumgebung mit Einbindung von Fußgängern über VR entsteht.

 

Die EDI GmbH -Engineering Data Intelligence aus Karlsruhe/Pfinztal, die den Forschungsverbund koordiniert, die IPG Automotive GmbH (Karlsruhe), das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (Fraunhofer IOSB), die Universität Stuttgart und das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (Fraunhofer IAO) werden in den kommenden drei Jahren diese Problematik systematisch angehen. Ziel ist unter anderem auch, über die Plattform mCLOUD – ein offenes Datenportal des BMVI rund um Mobilität 4.0 – diese synthetischen Szenarien für kritische Verkehrssituationen zur Verfügung zu stellen, wodurch durch die mCLOUD für die Auto-mobilindustrie aber auch für die Bevölkerung ersichtlich wird, wie autonome Fahrfunktionen entwickelt, trainiert und abgesichert werden können.

 

In diesem Zusammenhang bedeutet synthetisch, dass die Szenarien KI-basiert, automatisch generiert und sowohl in unterschiedlichen Simulationsumgebungen als auch im realen Verkehr einsetzbar sind. "Die Grundlage bilden Daten realer Gefahrensituationen, welche in der mCLOUD bereits erfasst sind und z.B. im Testfeld Autonomes Fahren Baden-Württemberg fortlaufend generiert werden", erläutert Michael Voit. Somit können Automobilhersteller rein rechnergestützt überprüfen, ob ihre autonomen Fahrfunktionen korrekt und sicher auf riskante Situationen reagieren. Solche simulierten Tests sind nicht nur kostengünstiger, sondern ermöglichen auch eine weitaus umfangreichere Abdeckung der möglichen Gefahrensituationen, als es mit realen Fahrtests jemals machbar wäre.

 

Besondere Aufmerksamkeit kommt im Rahmen von RELAI zudem der Interaktion mit Fußgängern zu, da diese vor allem bei höherem Automatisierungsgrad (Level 4 und 5) an Bedeutung gewinnt. Um de-ren Verhalten systematisch untersuchen und in Fahrsimulationen realitätsgetreu abbilden zu können, wollen die Forscher um Michael Voit einen VR-Fußgängersimulator entwickeln, wodurch Probanden immersiv in komplexe Verkehrssituationen integriert werden können, um ihr Verhalten detailgenau zu erfassen und zu untersuchen.

 

Im Rahmen der Forschungsinitiative mFUND fördert das BMVI seit 2016 Forschungs- und Entwicklungs-projekte rund um datenbasierte digitale Anwendungen für die Mobilität 4.0. Neben der finanziellen Förderung unterstützt der mFUND mit verschiedenen Veranstaltungsformaten die Vernetzung zwi-schen Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Forschung sowie den Zugang zum Datenportal mCLOUD. Weitere Informationen finden Sie unter www.mfund.de.